Betriebliche Altersversorgung - Auslegung einer Versorgungsordnung

Quelle: Pressemitteilung des Bundesarbeitsgerichts vom 02.12.2021

 

Eine Versorgungsregelung in einer Betriebsvereinbarung, wonach eine Witwen-/Witwerrente entfällt, wenn die Ehe zum Zeitpunkt des Ablebens des Anwärters geschieden ist oder wenn sie erst nach Beginn der Altersrentenzahlung geschlossen wurde, schließt eine Witwen-/Witwerrente nicht aus, wenn die Ehe zwar nach dem vorzeitigen Ausscheiden aus dem Arbeitsverhältnis, aber vor dem Beginn des Altersrentenbezugs geschlossen wurde.

Der Kläger wurde von der Beklagten als damalige starke vorläufige Insolvenzverwalterin bis zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens zur Arbeit herangezogen. Mit seiner Klage hat er für die zum Zeitpunkt der Beendigung des Arbeitsverhältnisses noch nicht genommenen Urlaubstage die Zahlung einer Abgeltung in Höhe von 3.391,30 Euro brutto als Masseverbindlichkeit verlangt. Die Beklagte hat dies als nunmehrige Insolvenzverwalterin abgelehnt, weil es sich nur um eine zur Insolvenztabelle anzumeldende Insolvenzforderung handle.

Die Vorinstanzen haben die Klage abgewiesen. Die Revision des Klägers hatte vor dem Sechsten Senat des Bundesarbeitsgerichts Erfolg. Die streitbefangene Urlaubsabgeltung ist in voller Höhe als Masseverbindlichkeit zu berichtigen. § 55 Abs. 2 Satz 2 InsO sieht die Begründung von Masseverbindlichkeiten vor, „soweit“ der vorläufige Insolvenzverwalter für das von ihm verwaltete Vermögen die Gegenleistung in Anspruch genommen hat. Entscheidet sich der starke vorläufige Insolvenzverwalter für die Inanspruchnahme der Arbeitskraft eines Arbeitnehmers, hat er alle Verpflichtungen aus dem Arbeitsverhältnis als Masseverbindlichkeiten zu erfüllen. Hiervon umfasst sind nicht nur Ansprüche, welche unmittelbar auf einer tatsächlich erbrachten Arbeitsleistung beruhen, sondern auch solche, denen keine unmittelbare Wertschöpfung für die Masse gegenübersteht (vgl. bereits BAG 10. September 2020 6 AZR 94/19 (A) ).

Der vollen Berichtigung als Masseverbindlichkeit steht nicht entgegen, dass der Neunte Senat des Bundesarbeitsgerichts bzgl. der vergleichbaren Regelung in § 209 Abs. 2 Nr. 3 InsO von einer nur anteiligen Zuordnung der „geldwerten Urlaubsansprüche“ ausging (vgl. BAG 21. November 2006 9 AZR 97/06 ). Auf Anfrage des erkennenden Senats hat der Neunte Senat des Bundesarbeitsgerichts erklärt, an dieser Auffassung nicht festzuhalten (BAG 16. Februar 2021 9 AS 1/21 ).

Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 25. November 2021 – 6 AZR 94/19 –
Vorinstanz: Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg, Urteil vom 10. Oktober 2018 – 23 Sa 505/18 –